Wie verzweifelt ist die Führung des Handelsblatts?

Eine aktuelle Beobachtung lässt mich zu dem Schluss kommen, dass die Handelsblattgruppe massive Probleme haben muss. Es war der Vorsitzende der HB-Geschäftsleitung Gabor Steingart, der auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Fachpresse in Essen Folgendes bekannt gab: Das Handelsblatt wird künftig in seiner digitalen Ausgabe direkte Verknüpfungen zwischen den redaktionellen Inhalten und einer Aktienhandelsplattform anbieten. Dann werden Leser als Reaktion auf einen Bericht direkt Aktien kaufen oder verkaufen können. So weit, so interessant. Da diese Bekanntgabe im Kontext neuer Erlösmodelle erwähnt wurde, ist davon auszugehen, dass das Handelsblatt von dieser Verknüpfung profitieren wird, vielleicht sogar an den Transaktionen partizipiert.

Aus meiner Sicht ist diese E-Commerce-Verknüpfung, wie jede andere  auch, ein sehr riskantes Spiel mit den höchsten Gütern der Publizistik: Unabhängigkeit und Neutralität. Wie unabhängig und wie neutral ist eine Medienmarke noch, die von guten oder schlechten Nachrichten einzelner Unternehmen direkt profitiert? Anders ausgedrückt: Wie verzweifelt sind Verleger und Management, wenn sie so ein Risiko eingehen und das Handelsblatt mittelbar zum Frontend einer Handelsplattform umbauen?

Hinzu kommt: Gestern wurde bekannt, dass die FAZ 20 Mio. operative Defizite für das Jahr 2012 durch Verkäufe aus der Substanz der Beteiligungen ausgleichen musste. Da passen im Markt kursierende Verkaufsgerüchte hinsichtlichTeilen des Verlagsportfolios der Handelsblattgruppe genau ins Bild.

Es gibt sehr deutliche Symptome, die Anlass zu großer Sorge um die Zukunft der Wirtschaftspublizistik in Deutschland geben. Ob ein Mann wie Steingart, für den Blogs „nur Hartz IV sind“ die Lösungen kennt, versteht und auch implementieren kann – Zweifel sind angebracht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert