Eindrücke und Einsichten von der FBM 2016

In den vergangenen Jahrzehnten waren nahezu alle signifikanten Innovationen unserer Branche technologischer Natur. Das gilt nicht nur für die Angebote, die das Leser-Publikum wahrnimmt, sondern auch und im Besonderen für die innerbetrieblichen Prozesse bei den Verlagen.
Aus diesem Grund diskutierten wir auf dieser Buchmesse mit über 40 Verlegern und Führungskräften von Dienstleistern über Zukunftsfragen und mögliche technologische Lösungen. Im Folgenden nun eine Zusammenfassung unserer Eindrücke und Einsichten.

Managementperspektive ist der zentrale Schlüssel

Beim Blick auf die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre wird deutlich: Medienhäuser betrachten neue Technologien, insbesondere das Internet, primär als ein Produkt- oder Vertriebsthema und zu wenig als Mittel der innerbetrieblichen Optimierung in Produktion, Planung und Organisation. Viel hat sich daran nicht verändert.
Selbst die objektiven Kostensenkungspotenziale in der Produktion werden nur zögerlich in Angriff genommen. Die Herstellung wird im Regelfall auf die Frage des Einkaufs reduziert. Dabei haben Verlage in der Produktion von alters her schon immer die größte industrielle Reife erreicht. Ein Herstellungsleiter:

“Es ist schwer, das industriell Richtige zu tun, wenn es im Top-Management keinen interessiert.”

Wer als Verleger die Produktion nur als Aufgabe der Herstellungsabteilung sieht, agiert wie ein altmodischer Fußballtrainer, der seine Stürmer nicht auch als vorderste Verteidiger einsetzt. Die Möglichkeiten der Individualisierung und Optimierung durch den Digitaldruck z.B. müssen in Produktentwicklung, Marketing und Lektoraten gehoben werden, und weniger in der Herstellung. So wie im modernen Fußball alle Spieler verteidigen müssen, ist die Produktion auch eine Aufgabe für alle. Die Alternative heißt: Abstieg.

Was wir bei vielen Verlagen vermissen, ist der Blick des Managements auf die gesamte Prozesskette und ihre Potentiale. Kästchendenken ist in Verlagen, in denen primär Abteilungen über Schnittstellen miteinander kommunizieren, weiterhin ein großes Innovationshemmnis, das auf kultureller Ebene und von oben gelöst werden muss.

Gesamtsicht statt Insel-Reports

Unserer Gespräche auf der Buchmesse haben uns ebenfalls klar gezeigt: In den Geschäftsführungsetagen ist man mit der Aufbereitung der Zahlen für die operative Unternehmenssteuerung nicht zufrieden. Operativen Managern reicht es nicht, nur die Finanzkennziffern zu überwachen. Um die gesamthafte Sicht auf alle wichtigen Prozesse und entgangenen Potenziale des Unternehmens zu erhalten, braucht die Unternehmensführung eine Sicht, in der alle Dateninseln erfasst und in Form von Dashboards und Cockpits konsolidiert werden. Unter der Nutzung von NoSQL-Datenbanken können solche Steuerungssysteme zeitnah und kostengünstig umgesetzt werden. Und die Ersten sind schon dabei.

Visualisierung mit Virtual Reality

Und sind sie dann alle da, die Daten, reicht es auch nicht mehr, sie in unübersichtliche Tabellen zu pressen oder als Excel-Grafiken auszudrucken. Warum nutzt kein uns bekannter Verlag die tatsächlich existierende Möglichkeit, seine Daten mit VR-Technologie zu virtualisieren und operativ nutzbar zu machen?

Die Nachfrage bei unseren Gesprächen war erfreulich groß, denn diese Technologie ist nicht mehr nur dem Militär oder Kinohelden vorbehalten und kann inzwischen kostengünstig und mobil genutzt werden.
Wir sehen aber nicht nur in der verlagsinternen Nutzung (z.B. im Bereich der Cockpit-Darstellungen) wichtige Einsatzmöglichkeiten, sondern auch in den Bereichen Messen, Marketing, Schulung und Weiterbildung. Aus unserer Sicht hat die VR-Softwaretechnologie bereits einen Reifegrad erreicht, der industriellen Anforderungen genügen sollte.

Künstliche Intelligenz (KI)

Eine Frage treibt die Verleger, mit denen wir gesprochen haben, deutlich mehr um, als wir erwartet hatten: “Was bedeutet der Fortschritt im Bereich künstlicher Intelligenz für die Verlage?” Um es klar zu sagen: Wir bei Narses sind der Überzeugung, dass kein derzeit diskutiertes technologisches Thema die Verlagsbranche mehr verändern wird als KI. Unseres Erachtens sollten sich alle Verlage folgende Frage stellen:

Können andere Player (nicht nur Verlage) im Markt KI-Technologie nutzen, um Prozesse oder Produkte so zu optimieren, dass sie zu einer ernsthaften Gefahr für das eigene Geschäft werden können?”

Um zu Antworten zu kommen, muss man als Entscheider 1. seine Prozesse kennen und 2. wissen, was technologisch möglich ist und möglich sein wird.

Wir bei Narses haben Anwendungen gesehen, die in der Lage sind, eingescannte Texte in mathematischen Code zu wandeln. Basierend auf diesem Code wurden Scoring-Systeme aufgesetzt, die Menschen bei Entscheidungs- und Auswahlprozessen umfassend unterstützen und zum Teil ersetzen können. Bei einer Vielzahl an Sachbearbeitungs- und Bewertungsaufgaben werden Menschen künftig entlastet und können für andere Themen eingesetzt werden. Und dies auch bei Aufgaben, für die sonst eine Hochschulausbildung erforderlich ist. Im Bereich STM klopft KI bereits lautstark an die Tür.

KI ist aber nicht nur ein Thema für die Fachinformation. Zukünftig werden lernfähige KI-Automaten Manuskripte und Bilder vorab bewerten, noch bevor ein Lektor sie erstmals in die Hand nimmt. Mit KI wird künftig wohl nicht der nächste Franz Kafka entdeckt, aber die Mehrzahl der Romane und Kinderbücher vorausgewählt. Was bei Netflix heute schon praktizierte Realität ist, wird künftig auch im Publishing Einzug halten.

Manufaktur statt wettbewerbsfähige Industrie?

Bei der Entwicklung neuer, digitaler Produkte sehen wir ein häufig wiederkehrendes Fehlermuster. Verlage ignorieren immer wieder, dass Publikationen im Allgemeinen und Bücher im Besonderen niedrigpreisige, standardisierbare Massenartikel sind. Dass sich dies in Zukunft ändern könnte, ist nicht erkennbar. Es bleibt dem fachkundigen Beobachter unverständlich, warum so viele Häuser bei ihren Innovationsbemühungen kostspielige Manufaktur-Methoden anwenden und aufwändigste Einzelprodukte und Dienstleistungen entwickeln, statt konsequent auf automatisierte Prozesse zu achten.

Wir erleben zudem beim Thema Industrialisierung Berührungsängste auf allen Ebenen, aber auch das schlichte Fehlen organisatorischer, technologischer und fachlicher Voraussetzungen in vielen Verlagen. Nach unserer Beobachtung ist mittlerweile auf Seiten der Dienstleister viel mehr digitales Know-how sowie Fach- und Prozesswissen zu finden als auf Auftraggeberseite. Man fragt sich: Was ist da in den letzten Jahren eigentlich passiert?

Mit dem Personalabbau der vergangenen Jahre haben die Verlage viel Prozess-Know-how verloren. Die Dienstleister hingegen haben, wie unsere Studie aus 2015 zeigt, Personal aufgebaut und neben Fachkräften von branchenfremden Dienstleistern vor allem Mitarbeiter aus Medienhäusern in ihr Team geholt.

Multilevel-E-Books automatisiert produziert

Es gibt aber auch vorbildlich industrielle Angebote und Beispiele. So können heute mehrschichtige E-Books automatisiert produziert werden. Die Links werden nicht von Hand “verlötet”. Stattdessen werden bestehende Texte automatisiert mit beliebigen weiteren Informationen und Funktionen verknüpft. Man sagt, Büchern eröffnen Welten. Dies gilt künftig nicht nur im übertragenen, sondern auch im wortwörtlichen Sinn. Künftig werden nicht nur literarische Texte durch die Verknüpfung mit individuellen Wörterbüchern und Lernhilfen zu Sprachlern-Tools   auch die Produktion von digitalen Fachtexten mit zusätzlichen Fach- und Bildinhalten ist möglich.

Und auch bei diesem Thema zeigt sich ein ähnliches Bild wie in vielen anderen Gesprächen: Es sind die großen Publikums- und die digital orientierten Fachverlage, die das Potential erkannt haben und für sich nutzen wollen.

Hinweis

Narses versteht es als eine seiner Aufgaben, innovative Technologie-Firmen zu identifizieren und zu fördern. Wenn Sie Interesse daran haben, mit Anbietern der hier erwähnten Leistungen in Kontakt zu treten, rufen Sie uns einfach an.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert