Wo sind die prozessbasierten Innovationen der Medienwirtschaft?

Auch wenn der Geburtsstunde unserer Branche ein Zauber innewohnte, der sich noch heute in einem Museumstresor von Mainz bewundern lässt. Seit Gutenberg geht es voran mit der Industrialisierung und egal welche Stufe genommen wurde, die Begleiterscheinungen sind immer die gleichen:

• Dem Alten geht es an den Kragen, wenn Neues entsteht. Dennoch wurde kaum ein Medium bisher voll substituiert. Geringer wurde nur der jeweilige Anteil am Nutzungs-Kuchen. Sogar Loseblattwerke, Bildschirmtext und telex überleben – bisher.

• Mit Ärmelschonern und Gesetzen wird eingegriffen – z.B. Unter dem Deckmantel des Jugendschutzes gerne zum Wohl der Jugend (in Tat und Wahrheit, werden so stets vor allem wirtschaftlichen Interessen der Platzhirsche verteidigt). Gebracht hat es am Ende nichts. Der Geist war aus der Flasche und keiner bekam ihn wieder dorthin zurück.

Wie sinnvoll ist es, die Welle medialer Entwicklungen aufhalten zu wollen?

Wäre es nicht besser, auf ihr zu reiten und ihremDynamik zu nutzen? War es nicht früher wie heute vor allem wichtig, den Prozess, die Funktion und die Veränderungen der Regeln zu verstehen, die durch Innovationen verursacht wurden? Ist es nicht so, dass nur derjenige, der die Regeln kennt, mit den Veränderungen umgehen kann?

Was lehrt uns der Blick zurück?

Die bisherigen Entwicklungsschritte bzw. Innovationen speisten sich lange fast ausschließlich aus zwei Feldern: Entweder aus neuen Produktionstechniken, aus neuen medialen Trägern oder aus Kombinationen von beidem. Jede dieser Varianten ist kapitalintensiv. Ist es da ein Wunder, dass Verlag und Druckerei eine wirtschaftliche Einheit darstellten – und häufig noch immer so betrachtet werden? Die eingegangenen Kapital-Risiken offenbaren sich nicht erst in der allerjüngsten Zeit.

In dem Maß in dem IT heute zum zentralen Produktionsmittel der Medienwirtschaft wird, zeichnen sich in Konturen die bekannten kapital-basierten Probleme erneut ab. (Eine eigene Monster-IT wird künftig genauso wenig eine anhaltend tragfähige Lösung sein wie eine eigene große

Druckerei.) Die digitale Welt dreht sich zudem schneller als früher die Welt des Druckers. Konnte man früher für zehnjährige Abschreibungszyklen zwischen Maschinen aussuchen,  weiß heute niemand, welches die richtigen Technologien für Geschäftsmodelle in vielleicht zwei Jahren sein werden.

Irgendwann hielten Innovationen in Verkauf & Marketing sowie in der Neugestaltung der Angebotspalette auch Veränderungen in den Verlagshäusern Einzug – allerdings spät.  Veränderungsinitiativen fordern eigentlich hauptsächlich die unternehmerische Kreativität und erst in zweiter Linie den Geldbeutel. Ist es ein Zufall, dass viele erfolgreiche Verlagsneugründungen nach dem Krieg ohne eigene Produktionsbasis ausgekommen sind? Beispielsweise Kundenorientierte Loseblattwerk-Verlage der 90er oder die Direktmarketing getriebenen Häuser.

Prozesse – Ein Feld für die Innovationen?

Durch den Kapitalbedarf sind technischer Innovationen  bei Medien derzeit genauso wenig in Sicht, wie Marketing- und Produktinnovationen; letzteres ist aber eher eine Frage der Kreativität. Nebenbei: Fällt jemandem ein großes Medienhaus ein, das in den vergangen 10 Jahren eine tolle wirtschaftlich erfolgreiche Innovation an den Start gebracht hat? Was bis heute aber kaum eine Rolle zu spielen scheint, sind innovative Unternehmensprozesse per se. Bis dato wurden innerbetriebliche Abläufe entsprechend den aktuellen Notwendigkeiten angepasst; oder an SAP. Wäre es nicht auch vorstellbar, dass basierend auf dem aktuellen Stand von Produktion, Präsentation, Marketing und mit bestehenden Geschäftsmodellen allein innovative Unternehmensprozesse zum Erfolg führen?

Was sicher lohnt ist ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte reifer Industrien, wie der Automobil- oder der die Luftfahrtindustrie. Verglichen mit diesen müssten die meisten Verleger Carl Benz eigentlich noch persönlich kennen.

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