Der Börsenverein engagiert sich dafür, Finanzmittel vom Staat für einen Fonds einzuwerben, um Verlage, die von der Rückzahlungsforderung der VG Wort existenziell betroffen sind, zu unterstützen. „Ein Modell, an dem gerade gearbeitet wird, ist ein Darlehensfonds, der Überbrückungshilfen leisten könnte,“ so Alexander Skipis vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Interview). Mögliche Vergabekriterien für den Schutzschirm sind jedoch völlig unklar.
Hintergrund
Die Folgen des BGH-Urteils zur VG Wort wurden in den vergangenen Wochen viel diskutiert, vor allem hinter verschlossenen Türen. Beim diesjährigen Publishers‘ Forum wie auch beim Kongress der Deutschen Fachpresse wurde zweierlei ganz klar: Die Rückzahlungsforderung ist nicht abzuwenden und ohne Gesetzesänderung wird es in Zukunft auch nie wieder Geld von der VG Wort für Verlage geben.
Ralph Oliver Graef, der Hamburger Anwalt für Urheber- und Medienrecht, brachte es beim Publishers‘ Forum auf den Punkt: „Sie sollten sich freuen, dass Sie jahrelang unrechtmäßig Gelder vereinnahmt haben.“
Dramatische Lage bei Kleinverlagen?
Wir haben direkt bei Herrn Skipis nachgefragt. Nach seiner Darstellung sehen sich die kleineren Verlage für die Jahre 2012 bis 2014 Rückzahlungsforderungen von insgesamt 15.000 – 45.000 Euro gegenüber. Da die VG-Wort-Ausschüttungen bisher rund 1/3 zu den Betriebsergebnissen beigetragen haben, würden die Rückzahlungen dem Betriebsergebnis eines ganzen Jahres entsprechen. Laut Skipis soll ca. 1000 kleineren Verlagen geholfen werden. Der Schutzschirm müsste demnach mit einem Volumen zwischen 15 und 45 Mio. Euro ausgestattet werden.
Zwischenfazit
1. Große Teile unserer Branche segeln offenbar wirtschaftlich fast ohne Wasser unter dem Kiel. Das ist ökonomisch schon nicht mehr mutig, sondern wohl eher waghalsig. Betriebswirtschaftlich betrachtet sind diese Verlage ohne Selbstausbeutung kaum überlebensfähig. Dass die Verleger mit solchen Zahlen eine auskömmliche Rente erwirtschaften, ist auch eher unwahrscheinlich.
2. Keine Rückstellungen für die Forderungen gebildet zu haben, ob aus wirtschaftlichem Mangel oder aus Schusseligkeit, ist kein Ausweis unternehmerischer Sorgfalt. Kein Unternehmer, ob Winzer oder Uhrmacher, der ein vergleichbares wirtschaftliches Verhalten an den Tag legt, würde von seiner Hausbank einen Kredit bekommen. Warum sollten Verlage jetzt einen Kredit aus Staatsmitteln erhalten?
Der kulturelle Wert „Verlagsvielfalt“ hat einen Preis
Unstrittig sollte sein: Die kleinen Verlage in ihrer Artenvielfalt stellen einen eigenständigen kulturellen Wert dar. Kulturelle Biodiversität ist tatsächlich ein Wert an sich, aber kein primär wirtschaftlicher. Wenn darüber Konsens herrscht, dann handelt es sich bei dem Rettungsschirm um eine primär kulturpolitische Maßnahme, von der Wirtschaftsunternehmen profitieren sollen.
Eine Frage steht hierbei im Raum, nämlich inwieweit ein Geldgeber (Staat) die Geldnehmer (Verlage) zu wirtschaftlich sinnvollerem Verhalten zwingen kann, ohne in die verlegerische Freiheit einzugreifen. Eine bedingungslose Ausschüttung würde diejenigen diskriminieren, die sich kaufmännisch verantwortungsbewusst verhalten haben und nicht unter den Schutzschirm schlüpfen.
Vergabekriterien für einen Kleinkunst-Schutzschirm
Sollte tatsächlich ein (staatlich finanzierter) Schutzschirm für Kleinverlage aufgesetzt werden, müsste die Vergabe an Bedingungen geknüpft werden – nicht zuletzt, um Wettbewerbsverzerrungen und Missbrauch auszuschließen. Die Bedingungen müssten transparent sein, sonst wäre nicht vermittelbar, warum der eine Verlag unterstützt wird und ein anderer nicht. Außerdem sollten die Bedingungen so gefasst sein, dass sie keine komfortable Subvention für Amateure darstellen, sondern an unternehmerisch schmerzhafte Bedingungen geknüpft sind. Konkret könnten die Vergabekriterien folgendermaßen aussehen:
- Transparenz: Die Kreditvergabe muss an transparente Kriterien gebunden werden. Wenn es sich hier um staatliche Mittel handelt, darf der Staat in keinem Fall die Kontrolle über die Kreditgewährung aus der Hand geben. (Die Bewilligung könnte z.B. über die KfW organisiert werden.)
- Verlag ist Verlag: Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Verlagstypen oder inhaltlichen Formen ist in der Praxis kaum anwendbar. Der Fonds muss daher allen betroffenen Verlagen zugänglich sein, unabhängig von Geschäftsmodellen und (auch digitalen) Produktformen.
- Verbandsneutralität: Eine Verbandsmitgliedschaft darf keine Voraussetzung sein, um an Mittel aus dem Fonds zu gelangen.
- Maximalbetrag: Das Volumen der Bail-out-Mittel pro Verlag muss nach oben begrenzt werden.
- Kredit: Die Mittel müssen als Kredit vergeben werden, nicht als Subvention.
- Unternehmensgröße: In den Genuss dieser Mittel dürfen nur konzernunabhängige Unternehmen kommen, die aufgrund ihrer Größe nicht in der Lage sind, die Mittel kurzfristig bis mittelfristig zu erwirtschaften.
- Tilgungsplan: Vergleicht man die maximalen individuellen BAFöG-Schulden eines Hochschulabsolventen mit dem Rückforderungs-Volumen der VG Wort zeigt sich: Es wäre für die Verlage durchaus zumutbar, die gewährten Kredite im Rahmen eines lang laufenden Rückzahlungsplan aus eigener Kraft zu tilgen.
- Ausschüttungsverbot: Solange der Kredit nicht zurückgezahlt ist, dürfen die Gesellschafter keine Gelder aus der Gesellschaft entnehmen, weder als Ausschüttung noch als Kredit.
- Managergehälter: Die Gehälter und geldwerten Vorteile von Verlegern bzw. angestellten Gesellschaftern müssen gedeckelt werden.
- Kontrolle: Es muss eine unabhängige Kontrolle der Einhaltung der Kriterien erfolgen, z.B. im Rahmen der Jahresabschlüsse durch Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater.
Wünschenswert wäre darüber hinaus, dass auch die kleinen Verlage ihre Professionalität und ihre Produktivität dadurch steigern, dass sie Standardsoftware nutzen und die Effizienzgewinne nicht nur von den größeren Verlagen gehoben werden. Aber das ist eine andere Diskussion.